Gedanken zur Vogelgrippe

Meine Tierarzt- und Tierschutzkollegin, Frau Dr. Karin Ulich aus Süddeutschland, hat folgende aktuelle Gedanken zur immer neue Blüten treibenden Panikmache um die sog. Vogelgrippe geschrieben. Sie decken sich vollkommen mit unserer Meinung zu diesem Thema und lassen sich auch zu 100% auf die österreichischen Verhältnisse umlegen.
FJ. Plank

Liebe Empfänger!

Rings um mich breitet sich Panik aus - ich kann es nicht fassen, was das für Blüten treibt! Meine Ansicht zum Thema skizziere ich folgendermaßen:
Kein Augenmaß beim Umgang mit der Vogelgrippe Menschen und Geflügel lebten schon immer mit Infektionen, auch mit der Vogelgrippe, der "Hühnerpest", ohne sich groß darüber aufzuregen oder dagegen aufzurüsten. Warum also diese Katastrophen- Stimmung angesichts des H5N1-Virus? Weltweit sind daran in mehr als zwei Jahren von 6,5 Milliarden Erdenbürgern etwa 80 Menschen gestorben. Menschen, die meist in bitterer Armut und Schmutz in Tropenklima eng zusammen mit dem Geflügel lebten. Wie groß ist wohl rechnerisch das Risiko, dass sich hier in Deutschland ein Mensch in den nächsten Jahrhunderten infiziert? Eine Infektion von Mensch zu Mensch gibt es sowieso nicht und ist eine theoretische Idee.

Warum aber spricht keiner davon, dass allein in Deutschland täglich 300 Menschen an den Folgen des Rauchens sterben, auch Hunderte an falscher Ernährung, z.B. durch übermäßigen Fleischkonsum. Auch an Lebensmittelvergiftungen, z.B. Salmonellen, gibt es jährlich mehr als 1000 Tote in Deutschland. Warum also wird das Thema derart hochgespielt? Hilflos erstarrt lassen wir es geschehen, dass in ethisch unverantwortlicher Weise sogar gesunde Tiere zu Tausenden "gekeult" werden. Das heißt, sie werden elektrisch getötet oder mit sogenannten "Einschläferungs-Maschinen" mit Kohlendioxid erstickt, was Todesangst erzeugt und etwa eine Minute Qual bedeutet. Es wäre möglich, zu impfen, aber das würde dem Export schaden, weil die vom Tier gebildeten Schutzstoffe (Antikörper) denen der Vogelgrippe gleichen würden. Doch muss man denn überhaupt auf den Export von Geflügel setzen? Werden in Deutschlands Fabrikställen nicht viel zu viele Federtiere gehalten?

Auch dort, wo die Vogelgrippe noch gar nicht aufgetaucht ist, wird das eflügel in die Ställe verbannt, wo es in Stress und Enge seine Abwehrkräfte einbüßt. Jeder medizinisch geschulte Mensch weiß aber, dass das Vogelgrippe-Virus nur dann gefährlich ist, wenn es auf immungeschwächte Vögel trifft. Neben den durch den harten Winter ausgezehrten Wasservögeln an der Ostsee trifft das aber ganz besonders auf die Hühner, Enten und Puten in den Massentierhaltungen zu, die zu Tausenden in oft dunklen Ställen dicht gedrängt bewegungslos im Dauerstress und mit Schmerzen dahinvegetieren. Sie stecken sich rasant alle an, wenn ein Virus auftaucht, denn sie haben ein völlig unzureichendes Abwehrsystem. Und sie bieten dem Virus auf dem Weg von einem Opfer zum nächsten eine Spielwiese ungeahnter Mutationschancen! Und so sind diese Fabriktierhaltungen Zeitbomben der Seuche. Ganz im Gegensatz zu robusten Freilandtieren, wenn sie in kleinen Gruppen an der frischen Luft gehalten werden und wenig anfällig für eine Infektion sind.

Ich kann angesichts der logischen Widersprüche nur folgern, dass es alleine um die wirtschaftlichen Interessen der Geflügel-Industrie geht. Mit dem ganzen Aktionismus soll offenbar davon abgelenkt werden, dass einzig die Geschäfte mit dem Geflügel aus Massentierhaltung geschützt werden sollen! Der Gefahr kann meiner Meinung nach langfristig nur durch eine konsequente Politik der "Agrarwende" entgegen gewirkt werden, so wie Frau Künast es in Ansätzen durchsetzen konnte und gerne ausgebaut hätte. Unsere neue Regierung setzt jedoch ganz auf Massentierhaltung mit noch größeren Beständen auf noch engerem Raum und fährt die Unterstützung der Biobauern unverantwortlich zurück. Damit wächst die Anfälligkeit für Seuchen aller Art in diesen Tierfabriken und damit die Ursache des ganzen Elends. Wir als Verbraucher können aber unserer Ohnmacht ein Ende setzen: Lautstark sollte jeder von den verantwortlichen Politikern fordern, dass die artgerechte, biologische Freilandhaltung unterstützt und die Tierquälerei in den Fabrikställen verboten wird. Auch unser Einkaufsverhalten kann der abartigen Tierproduktion den Boden entziehen: Wenn wir kein billiges Geflügelfleisch oder billige Eier kaufen, sondern höchstens in geringen Mengen Produkte aus ökologischer Haltung, zeigen wir, dass wir es ernst meinen. Zur Zeit wird die Entwicklung leider ganz im Interesse der Agrar-Industrie in die verkehrte Richtung getrieben: Immer mehr Menschen, die ihr Geflügel bisher artgerecht im Freiland gehalten haben verlieren angesichts der Probleme, die durch die Stallpflicht entstehen, den Mut und geben auf.
Dr. Karin Ulich

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